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  • Christiane Brasseur

Dem Gebiet des «Gestaltungsplans Bahnhofstrasse» droht die Zerstörung

Vielen Teilnehmern der Gemeindeversammlung vom 25. Juni 2012 war wohl nicht bewusst, dass sie mit der Annahme des öffentlichen «Gestaltungsplans Bahnhofstrasse» dem Gemeinderat den «Freibrief» erteilten, die Entwicklung des Gebietes so zu bestimmen, wie es ihm passte, also gemäss dem öffentlichen oder anhand von davon abweichenden privaten Gestaltungsplänen.


Gebiet Sigst Süd

Die Auswirkungen dieses von der Gemeindeversammlung erteilten Freibriefes zeigt sich jetzt deutlich im südlichen Bereich des Gestaltungsplans beim in der Zwischenzeit fast fertig gestellten Ersatzbaus der ehemaligen Schreinerei Eigenmann: Zunächst liess die private Eigentümerschaft von einem Architekten (der gleichzeitig auch Behördenmitglied war) ein «Richtprojekt» für diesen Bau erarbeiten. Darauf basierend liess der Gemeinderat einen privaten Gestaltungsplan für das gesamte Gebiet «Sigst Süd» erstellen. Dieser wurde nach einer – allerdings unverbindlichen – Anhörung der Bevölkerung genehmigt. Nach Ausbleiben eines Rekurses gegen den Gestaltungsplan wurde die Bewilligung des «Richtprojektes» ohne weiteres erteilt.


Was ist also konkret geschehen? Das Pferd wurde vom Schwanz her aufgezäumt: Anstatt dass der Gemeinderat zuerst einen Richtplan erlassen hätte, nach dem sich das Bauprojekt zu richten gehabt hätte, wurde ein Bauprojekt erarbeitet, das dann als Grundlage für den entsprechenden Gestaltungsplan diente und so das aktuelle Projekt ermöglichte.


Das Ergebnis: Der mächtige Ersatzbau weist beispielsweise im Erdgeschoss statt den damals versprochenen Gewerberäumen (und statt der früheren Schreinerei Eigenmann) eine Garage mit neun privaten Parkplätzen auf. Die Folge davon ist, dass der künftige Verkehr auf dem engen Flurweg, direkt angrenzend an die mittelalterlichen Häuser an der Dorfstrasse, stattfinden muss. Eine gefährliche Situation, die niemand und ganz bestimmt auch die damalige Gemeindeversammlung nicht wollte. Ob da der Gemeinderat im Interesse der Bevölkerung gehandelt hat, müssen die Stimmbürger jeder für sich beurteilen.


Gebiet Park + Ride SBB

In weiser Voraussicht hatte der Souverän im Jahr 1995 mit Art. 24 Abs. 3 eine Bestimmung in die neue BZO (Bau- und Zonenordnung) aufgenommen, mit welcher er sich im Gebiet Park + Ride SBB ein Recht auf öffentliche Nutzungen, wie beispielsweise einen Chilbi- oder einen Dorfplatz, sichern wollte. Wörtlich lautete die Bestimmung wie folgt:

«Für das Teilgebiet Güterschuppenareal und Aufnahmegebäude SBB-Bahnhof Erlenbach gilt zum Zweck der guten Einordnung in das Orts- und Strassenbild sowie zur Wahrung öffentlicher Nutzugsansprüche eine Gestaltungsplanverpflichtung».

Den damals vielen Teilnehmern der Gemeindeversammlung vom 25. Juni 2012 war wohl nicht bewusst (und es wurde auch nicht erwähnt, wie sich aus dem Protokoll der Gemeindeversammlung ergibt), welche Folgen das Streichen dieser Bestimmung zusammen mit dem oben erwähnten «Freibrief» an den Gemeinderat haben würde.


Mit diesem «Freibrief» kam es zu einem demokratischen Sündenfall: Der Gemeinderat selbst stellte den öffentlichen Gestaltungsplan auf und «peitschte» diesen anlässlich der Gemeindeversammlung durch (vgl. Artikel der ZSZ vom 26. Juni 2012). Später liess wiederum der Gemeinderat die Wettbewerbs-Bestimmungen für das Richtprojekt aufstellen, welches dem Gestaltungsplan für das Teilgebiet als Grundlage dienen wird (beispielsweise die Bestimmung, dass die im Jahr 2012 von 70 auf 110% erhöhte Ausnützung voll ausgeschöpft werden soll). Dann nahm der Gemeinderat auch noch Einsitz in die Jury, welches das Siegerprojekt auswählte. Und schliesslich wird er durch den «Freibrief» ermächtigt, den darauf basierenden Teilgestaltungsplan zu bewilligen – dies, ohne dass die Bevölkerung bzw. Stimmbürger sich dazu äussern oder gar darüber befinden konnten.


Überdimensioniertes Renditeprojekt der SBB bei fehlendem Bahnhofplatz

Mit seiner Zustimmung zum Siegerprojekt «Anna + Otto» hat der Gemeinderat der SBB die Möglichkeit gegeben, ein kostengünstiges Renditeobjekt riesigen Ausmasses zu realisieren. Dies allerdings auf Kosten der Bevölkerung und unter Bruch seiner damaligen Zusicherungen, insbesondere was die Gebäudelänge betrifft: Anlässlich der Gemeindeversammlung wurde einmal mehr versprochen, dass es keine Gebäude mit über 50 Meter Länge geben würde.


Doch das auserkorene Wettbewerbsprojekt weist einen Bau mit 87 Meter Länge auf. Zweifelsohne kommt dies der SBB entgegen, nachdem dadurch die Baukosten gesenkt werden können: Mit der Anordnung sämtlicher Wohnungen in einer derart langen Stange braucht es nur zwei Erschliessungstürme.


Zudem entfallen durch die Anordnung der 40 P+R- und der 71 (!) Privatparkplätze auf lediglich zwei Ebenen kostenintensive Geschossanpassungen. Allerdings hat dies auch den Nachteil, dass der zweigeschossige Parkplatzsockel nicht dem Verlauf der an dieser Stelle abfallenden Bahnhofstrasse folgt, sondern sich davon abhebt. Damit werden die über dem Parkplatzsockel angeordnete «Gewerbeflächen» bis 5 Meter über die Strasse zu liegen kommen.


Den Ausgleich dieses so entstandenen enormen Unterschiedes zwischen Gebäude und Gelände soll eine monumentale Treppe von der Bahnhofstrasse zum Erdgeschoss bringen. Ob die Bevölkerung von Erlenbach dort zusammensitzen (das ginge ohnehin nur bei schönem Wetter) und sich am Blick auf die verwaiste Strasse erfreuen wird, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Eher wird sie den schönen Zeiten nachtrauern, als Erlenbach noch ein Dorf war.


Der übermässig lange Gebäudeteil, der die Rendite der Investoren sichern soll, reicht bis an das nördliche Vordach des heutigen «Aufnahmegebäudes» der SBB. Dieses fällt dem Neubau zum Opfer und wird nicht ersetzt. Zum Schutz der Bevölkerung wird somit künftig allein der Kiosk (solange es solche noch gibt) dienen. Als Folge werden die Leute, die dort vor Wind, Wetter und Sonne Schutz suchen, diesen nur unter einem knappen Dach finden. Die schmale, krumme und steile Treppe, die in den Untergrund und zu den Bahngeleisen führt, widerspricht allen neuen Erkenntnissen, wie eine der Öffentlichkeit dienende Unterführung auszusehen hat. Wer nicht sehr gut zu Fuss ist, wird seine liebe Mühe mit dieser Treppe haben. Wer z.B. noch einen Kinderwagen mit sich führt, wird da nur schwer durchkommen. Von Benutzerfreundlicheit, wie wir sie uns gewohnt sind, keine Spur mehr. Dem «Aufnahmegebäude» werden wir sicher nachtrauern.


Dabei wurde im Jahr 2012 der «Gestaltungsplan Bahnhofstrasse» der Bevölkerung mit der Aussicht auf einen belebten und benutzerfreundlichen Bahnhofplatz schmackhaft gemacht. Auch hier gilt: Jeder wird sich selbst ein Bild davon machen können, wobei es dann allerdings für Änderungen zu spät ist.

Die Probleme des Siegerprojektes, insbesondere der fehlende Bahnhofplatz und der fehlende Bezug der Gewerbefassaden zum Strassenniveau, beruhen darauf, dass nur ein einziges Gebäudevolumen auf einem durchgehenden Sockel vorgesehen ist. Es ist unverständlich, wie der Gemeinderat (nach all seinen Versprechen, es werde ein «bürgerfreundlicher Bau» von garantiert nicht länger als 50 Meter werden) ausgerechnet diesem Projekt den Vorzug geben konnte – vor den anderen fünf, welche alle mehrere Gebäude und Stufen vorsahen.


Dringend notwendige Abschaffung des «Gestaltungsplan Bahnhofstrasse»

Als der VVE (Verkehrs- und Verschönerungsverein Erlenbach) im Jahre 2012 die Gemeindeversammlung und übrige Bevölkerung warnte und die Gefahren und Probleme mit Visualisierungen belegte, wurde er vom Gemeinderat als Polemiker und Lügner bezeichnet.


Heute wissen wir, dass von Polemik oder Lüge keine Rede sein konnte, sondern der

schlimmste aller Fälle eingetreten ist beziehungsweise eintreten soll. Denn unglücklicherweise bewahrheiten sich die Warnungen des VVE vollumfänglich – wenn nicht der schädliche «Gestaltungsplan Bahnhofstrasse» baldmöglichst wieder abgeschafft wird.

Bitte bleiben Sie dran, über die Entwicklung auf den Gestaltungsplan-Grundstücken an der Lerchenbergstrasse wird demnächst berichtet.


Erlenbach, 01. März 2022 // Christiane Brasseur



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